Frühe Prägung, Der Schnuller brennt, und ich fange zu rauchen an

Mit vier Jahren hing ich immer noch am Schnuller, was besonders meinen Vater an der Entwicklung seines Sohnes zum Mann zweifeln ließ. Er wandte seine ganze Überredungskunst an und eines Tages stellte ich mich freiwillig vor den Kohleofen im Wohnzimmer. Er war größer als ich und das Feuerloch befand sich in meiner Stirnhöhe. Papa öffnete die Feuertür und ich warf in einem Anfall von vorauseilendem Gehorsam meinen letzten Schnulli in die lodernde Hitze.

Diesem frühen Entzug schreibe ich zu, dass ich als Sechzehnjähriger bereits Gewohnheitraucher war und auch schon die Jahre zuvor mit verschiedenen Arten von Lungenbrot experimentierte. Zunächst rauchten wir als Zwölfjährige getrocknete Holunderzweige, später ließen wir Sechserpackungen “Supra” für 50 Pfennig aus dem Automaten des Tante-Emma-Ladens unweit unseres Reihenhauses in Reutlingen. Als Zehntklässler eines Jungengymnasiums waren wir bereits voll im Rennen, wer welche Marke rauchte war eine sinnstiftende Angelegenheit. “Otsch” bevorzugte “Kurmark”, während ich mich meistens aus dem HB-Fundus meiner Eltern bediente, bevor die jahrelange Phase der Mentholzigaretten begann. Ich bildete mir ein, diese wären gesund, wegen des Mentholgehalts! Als ich einmal unglücklich in meine Tanzstundenpartnerin Inge verliebt war, konnte ich dies mit zwei bis drei Packungen am Tag kompensieren.

Apropos unglücklich verliebt. Bei solchen Katastrophen zogen wir als Teenager noch Hollywood-würdige Shows ab, um die Angebete zu beeindrucken. Als einmal eines dieser Mädchen, mit der ich mir einbildete zu “gehen”, einen Rückzieher machte, beschloss ich mit Hilfe meines besten Freundes Uli die ganz große Mitleidstour abzufeuern. Die Vorgabe war, dass ich bei Heizungsarbeiten in unserem Bungalow am Georgenberg zugeschaut hatte und dabei irgend etwas explodiert war, sodass ich, wenigstens vorübergehend, erblindete. Ich legte mir einen Verband um Augen und Stirn und konnte tatsächlich nichts mehr sehen. Geführt von meinem Freund gingen wir zum Haus des Mädchens, ein Weg von etwa zwei Kilometern, der auch durch die Innenstadt von Reutlingen führte. Mein Freund schilderte mir, wie unseretwegen Frauen mit Kinderwagen den Gehweg frei machten und uns Passanten respektvoll (wegen des fürsorglichen Begleiters) bis mitleidsvoll (meinetwegen) nachschauten. Beim Haus des Mädchens angekommen klingelten wir, ich hörte sich ein Fenster im ersten Stock öffnen und dann ein ersticktes “Um Gottes Willen!”. Sie kam zur Haustür, wir baten sie zu einem Gespräch in eine unserer Stammkneipen, wo wir den Sachverhalt glaubwürdigst darlegten. Danach habe ich dieses Mädchen buchstäblich aus den Augen verloren und meine volle Sehkraft zurückerhalten.

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